Forschung

Möchtest du dich tiefergehender mit dem Thema Berührung beschäftigen?



Hier erfährst du mehr über die Zusammenhänge, warum Berührungen für uns Menschen wichtig sind.

Mich hat das Buch "Homo Hapticus" - von dem Berührungsforscher Martin Grunwald fasziniert. Ich habe von ihm die Genehmigung erhalten, Zitate aus seinem Buch auf meiner Website aufzuführen (Seitenzahlen in Klammer).
(Du kannst hier bei Amaz. mehr Infos erhalten. Bei weiterem Interesse würde ich dann das Buch im Buchhandel bestellen)

Die von mir ausgesuchten Zitate sind ein Beleg dafür, wie bedeutsam für den Menschen das Berührt-Werden bzw. sein Tastsinn-System ist:

"Ohne das (Tast-)Sinnessystem wüssten wir nicht einmal, dass wir existieren. Denn eine seiner hervorragenden Leistungen besteht darin, dass wir uns jederzeit unserer körperlichen Existenz bewusst sein können. Wir denken uns nicht selbst, sondern wir fühlen uns."
"Jeder Lebensbereich eines jeden Menschen wird durch das stille Wirken des Tastsinnessystems geprägt. Es ist das biologisch größte und einflussreichste Sinnessystem, eine Meisterleistung der Natur - und zugleich eine Selbstverständlichkeit, die wir kaum würdigen." (S.10)

"Das Tastsinnsystem ist als erstes Wahrnehmungssystem vor allen anderen Sinnessystemen entwickelt (ab 7. bis 14. Schwangerschaftswoche im Vergleich zum Scharfen Sehen, das erst im 4. Lebensjahr abgeschlossen ist)" (S.23)

Es wird unterschieden zwischen "Taktil passive Wahrnehmung - haptisch aktive Wahrnehmung" (S.26)

"Die Impulse aus der Haut, die durch Eigenbewegungen oder durch externe Reize entstehen, tragen zur internen Positions- und Lagebestimmung der einzelnen Körperglieder bei." (S.27)
"Ohne dass visuelle Informationen hilfreich zur Verfügung stünden, gelingt es dem Fötus, seinen Daumen in den Mund zu führen, um auf diese Weise den Saugreflex zu stimulieren und zu trainieren. ... Wer nicht Saugen kann, hat unter natürlichen Bedingungen nach der Geburt keine Überlebenschance."(S.28)

"Jeder Erwachsene führt im Laufe eines Tages ca. 400 bis 800 derartige Selbstberührungen aus ... ein sehr komplexes Verhaltensmoment ... das wir als Föten generiert haben" (S.36)

"Die Verknüpfung der umfassenden Körperberührung durch den Mutterbauch mit positiven Emotionen wird sinnvollerweise zu einem "universellen Konzept" von Nähe. Vereinfacht formuliert, könnte man es so beschreiben: Etwas was meinen Körper berührt, zugleich warm und weich ist, ist gut für meinen Körper. Dieses Nähekonzept ist die Bedingung dafür, dass der Säugling nach der Geburt sofort positiv auf den körperlichen Kontakt mit der Mutter reagieren kann" (S.46)
"Um die berechtigte Sorge um das fragile Lebensgleichgewicht der Frühgeborenen und ihre potentielle Gefährdung durch bakterielle und virale Krankheitserreger haben in der Vergangenheit dazu beigetragen, dass Frühgeborene so weit wie möglich von ihrer Umwelt abgeschirmt wurden. Doch die unwiderlegbaren Effekte der Kontaktmedizin haben schließlich gezeigt, dass die adäquate körperliche Stimulation der Frühgeborenen einen - wenn nicht sogar den - entscheidenden Beitrag dazu leistet, dass diese Kinder überleben." (S.51)
"Denn allein aus dem körperlichen Kontakt resultiert eine Stimulation des Säuglingskörpers, die ihrerseits Physiologische und neurophysiologische Wachstumsprozesse in Gang setzt, die nur auf diese Weise angestoßen werden können. Das Neugeborene ist also nicht nur auf ein funktionierendes Tastsinnessystem angewiesen, sondern bedarf auch der angemessenen körperlichen Stimulation, um sich gesund entwickeln zu können." (S.53)
"Bei Neugeborenen mit sofortigem Hautkontakt zur Mutter dauert das erste Schreien nur wenige Minuten. Neugeborenen, die nach der Geburt zuerst gewaschen und gewickelt werden und erst nach 45 Minuten Kontakt zur Mutter Bekommen, schreien länger, am längsten aber diejenigen, die gar keinen Kontakt zur Mutter erhalten." (S.55)
"... bei unberührten Säugetieren stets ein geringeres Körpergewicht festzustellen. Zentral sind auch die Befunde, die eine wesentlich geringere Ausreifung des Immunsystems bekunden. Nicht selten führt dies dazu, dass die Tiere trotz sonstiger Fürsorge frühzeitig sterben." (S.61)

"Durch das Saugen an der Brust und durch sonstige Berührungsreize des Kindes werden mechanisch sensitive Sensoren im Körper der Mutter angeregt, die elektrische Impulse aussenden. Diese Impulse lösen in einem speziellen Hirngebiet die Ausschüttung des Signalmoleküls Oxytocin aus, das über die Blutbahn die mütterlichen Brustdrüsen erreicht und dort nach wenigen Sekunden den Milchfluss fördert. Die mechanische Reizung der Hautrezeptoren während des Stillens setzt somit einen bereits erprobten biochemischen Mechanismus in einem anderen biologischen Kontext in Gang.
Oxytocin fördert jedoch nicht nur den Milchfluss, sondern wirkt, weil es praktisch im ganzen Körper vorhanden ist, funktional auch an und in anderen Körperbereichen. So verändern etwa sehr viele Hirnregionen ihre neuronale Aktivität, wenn sie in Kontakt mit Oxytocin geraten. Dies führt wiederum in entfernt gelegenen Körperregionen zu einer veränderten Organtätigkeit. Die wesentlichsten biologischen Folgen der Oxytocinwirkung im Körper sind: die Atemfrequenz wird geringer, der Blutdruck sinkt, die Blutgefäße erweitern sich, durch Stress und Anspannung produzierte Signalmoleküle werden verdrängt, und die Muskulatur entspannt sich. Auf der Psychischen Ebene stellt sich nach all diesen körperlichen und neuronalen Veränderungen ein wahrnehmbares Gefühl der Entspannung ein. (S.66)

"... Aufgrund ihrer großen Fläche, die mit ca. 2 Quadratmetern der Größe eines mittelgroßen Esstischs entspricht, ist die menschliche Haut nicht nur das größte Organ des Menschen, sondern enthält auch eine sehr hohe Anzahl tastsensibler Rezeptoren. Besonders zahlreich sind sie an den Haarfollikeln, an den Fingerspitzen, der Zunge, den Genitalien und den Lippen. Ob jedoch die Haut die Körperregion mit den meisten tastsensiblen Rezeptoren ist, kann bezweifelt werden, denn die sonstigen Bindegewebsstrukturen im Körper - einschließlich der Knochenhäute - sind ebenfalls mit tastsensiblen Rezeptoren ausgestattet, außerdem die Schleimhäute, die Wände von Venen und Arterien, die Muskeln, die Sehnen und Gelenke." (S.96)

"... Jeder Bewegungsvorgang erfordert die kontinuierliche sensorische Kontrolle von Gelenken, Sehnen und Muskeln, und nicht einmal das aufrechte Sitzen auf einem Stuhl ist ohne propriozeptive Analyse und Kontrolle möglich. (S.110)

"... Über keinen anderen Sinneskanal - und auch nicht über Worte - können Menschen untereinander so schnell und unmissverständlich positive emotionale Botschaften vermitteln wie durch Körperberührungen: ... Ebenso schnell und deutlich kommunizieren wir mit der Abwehr körperlicher Interaktionen, dass wir jemanden nicht wohlgesinnt sind oder uns vor ihm ängstigen." (S.152)
 "... Tendenziell ist bei Männern der Bereich, wo sie Berührungen akzeptieren, deutlich eingeschränkter als bei Frauen.
... die häufigsten Formen der alltäglichen Körperberührungen erfolgen bei Begrüßungs- und Verabschiedungsritualen. (S.154)
"... Seit einiger Zeit wird dieser Bedarf erwachsener und älterer Menschen an nicht sexuell intendierten Körperberührungen zunehmend öffentlich formuliert, und es gibt bereits Initiativen, die diese Bedürfnisse aufgreifen. (S.155)

"... Beim erwachsenen Menschen werden in der Regel die höchsten Oxytocinkonzentrationen während und nach sexuellen Aktivitäten festgestellt.
... Zahlreiche Studien konnten so belegen, dass sich das Immunsystem nach intensiven Berührungsreizen stabilisiert und dass entzündungshemmende Prozesse beschleunigt werden. (S.159)

"... Es zeigte sich, dass diejenigen Studenten, die von der Lehrkraft berührt worden waren, freiwillig den Gang an die Tafel antraten. Offensichtlich können durch einen kurzen Berührungsreiz schnell und wirksam Wertschätzung und Respekt ... transportiert werden.
... Und dass kurze und adäquate Berührungsreize die Motivation und die Leistungsbereitschaft von Sportlern erheblich fördern, gehört zum Alltagswissen von Trainern.
... zeigten Patienten eine schnellere Genesungsrate, wenn Ärzte und Pflegekräfte sie im Vorfeld einer Operation kurz und wertschätzend berührten. Dieser Effekt ist besonders bei weiblichen Patienten beobachtet worden. (S.161)

"...Zwar lässt, wie erwähnt, die Genauigkeit der Tastsinnesleistung im hohen Alter in der Regel nach, jedoch nicht das Vermögen, Berührungsreize wahrzunehmen. Diese grundsätzliche Fähigkeit bleibt, nach allem, was wir bisher über das Tastsinnessystem beim Menschen wissen, lebenslang erhalten. (S.163)


Passende Videos zum Thema, in denen u. a. auch der Berührungsforscher Grunwald interviewt wird, gibt es hier:

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